Geht es Dir, so wie mir? Hast Du auch eine Leidenschaft wie das Bergwandern? Oder das Klettern an einer Via Ferrata? Und Du bist schwanger und fragst Dich, ob das gut für Dich und das in Deinem Bauch heranwachsende Kind ist? Auf den ersten Blick und für Außenstehende und ahnungslose Nicht-Bergwanderer würde die Antwort eher so lauten: „Die vielen Höhenmeter, die unebenen Strecken, die ganze Anstrengung…das kann doch nicht gut sein für eine Schwangere!“ Tatsächlich musste ich mir Ähnliches anhören als mein Partner Felix und ich verkündeten, dass wir unseren heißgeliebten Urlaub in den Bergen antreten würden.
Zweifel und (unberechtigte) Bedenken
Natürlich hatte ich schon selbst darüber nachgedacht, ob ich in der Lage wäre unter meinen neuen Umständen auf einen Gipfel in 2000 Metern Höhe zu steigen. Aufgrund der medizinischen Untersuchungen und meiner erhaltenen Fitness in der 20. Woche war mein Selbstvertrauen aber groß genug es zu probieren. Ich wollte einfach nicht darauf verzichten, da ich tief im Inneren ein großes Verlangen nach den Touren in dieser wunderschönen Umgebung hatte. Und genau dieses Glücksgefühl wollte ich absurderweise mit dem Baby in meinem Bauch teilen. Volle Unterstützung hatte ich auch mal wieder von meinem Mann, der überhaupt keine Zweifel daran hatte, dass es der werdenden Mama und seinem ungeborenen Kind gut tun würde. Somit folgten wir unserem Instinkt, fuhren in die Berge und suchten eine mittelschwere und relativ kurze Tour aus, die wir bereits schon einmal gemacht hatten. Wir wollten zunächst unter 2000 Metern Höhe bleiben, um zu schauen, wie es mit meiner Luft stehen würde. Völlig glücklich und problemlos, sogar ein wenig erstaunt darüber, wie gut alles geklappt hatte, kamen wir am Gipfel an und konnten die wunderschöne Aussicht über das Tannheimer Tal genießen. Auch am Abend und nachfolgenden Tag war die Erschöpfung nicht größer als sonst nach solchen Touren. Wir entschlossen uns also für weitere zwei Gipfeltouren mit zum Teil 1000 Höhenmetern Auf- und Abstieg und über 2000 Metern Höhe. Und das innerhalb von sechs Tagen. Tatsächlich hatten wir auch eine Kletterwand in der Schwierigkeitsstufe B in Betracht gezogen, wofür aber im Endeffekt die Zeit zu kurz war.
Die Expertenmeinungen
Was sagen nun Experten und Mediziner zum Thema „Sport in den Bergen“ während der Schwangerschaft? Bei der Recherche bin ich darauf gestoßen, dass Ärzte manchmal davon abraten in der Schwangerschaft Bergsport zu treiben. Aus den eigenen Reihen gibt es aber Kollegen, die den Grund für das Abraten in der Unwissenheit dieser Mediziner sieht. Ein Beispiel ist Dr. Thorsten Fischer, Chefgynäkologe des zur Paracelsus Privatuniversität (Bindenstrich weg) gehörenden Landeskrankenhauses Salzburg. „Aus Unkenntnis klären viele Ärzte falsch auf“, meint der Frauenarzt.
Natürlich hängt es auch bei dieser Sportart von der jeweiligen Situation der Schwangeren ab: Ist es eine komplikationslose Schwangerschaft und handelt es sich um eine erfahrene Sportlerin mit guter körperlichen Fitness oder nicht. An dieser Stelle möchte ich auf die Einschätzung der wirklichen Experten auf diesem Gebiet eingehen. Eine davon ist Marion Sulprizio von der Deutschen Sporthochschule in Köln, die sich mit ihrem Team aus Medizinern und Sportwissenschaftlern um solche Fragen kümmert. Sie sagt: „Schwangere dürfen durchaus in den Bergen aktiv sein, sofern sie bestimmte Regeln beachten“. Unter anderem ist damit vor allem die Pulsfrequenz gemeint. Diese soll bei jungen Frauen nicht dauerhaft über 150 Schlägen pro Minute liegen. Ab 30 Jahren soll der Pulsschlag nicht über 145 und ab 40 Jahren nicht über 140 liegen. Aber auch hier gibt es wiederum Ausnahmen nach Sulprizios Ansicht. Leistungssportlerinnen dürfen auch Pulsspitzen erreichen, die über diesen Werten liegen.
Wer auf Nummer sicher gehen will, der kann durch das Tragen einer Pulsuhr die Herzfrequenz im Auge behalten. Einschränkend muss ich aber darauf hinweisen, dass die Angst vor einem zu hohen Puls auch diesen nach oben hin beeinflussen kann. Die Folge könnte dann sein, dass man mehr mit dem Kontrollieren des Pulses als mit der Bergwanderung selbst beschäftigt ist. Meine persönliche Lösung ist daher folgende: auf mein Bauch- und Körpergefühl hören und ab und zu eine manuelle Pulsmessung zur Kontrolle. Dazu habe ich meinen Radialispuls, der an der Innenseite des Handgelenks zu tasten ist, für 20 Sekunden gezählt und dann mal drei genommen. Da ich meinen Ruhepuls kenne, konnte ich so sehr gut einschätzen, wie groß die Anstrengung tatsächlich für mich ist.
Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist die nach den Höhenmetern. Einig ist man darüber, dass eine Höhe von bis zu 2500 Metern unproblematisch für eine gesunde Schwangere ist. Ab dieser Grenze wird zu einer Akklimatisierung geraten. „Bei Frauen, die oberhalb davon aktiv sind, muss nicht nur die Akklimatisierung, sondern auch die allgemeine Fitness stimmen“, sagt Marion Sulprizio. Die Gefahr liegt in der Hypoxie der Mutter, einer starken Verringerung des Sauerstoffgehaltes im Blut, was der Körper in der Regel durch bestimmte Mechanismen gut kompensieren kann. Im Falle einer Schwangerschaft führt diese Unterversorgung jedoch dazu, dass der Herzschlag des Ungeborenen um fünf bis fünfundzwanzig Schläge steigt und sich negativ auswirken kann. Daher rät der Medizinausschuss der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA), sich ab einer Höhe über 2500 Metern drei bis vier Tage zu akklimatisieren, bis zu zwei Wochen bei starker körperlicher Aktivität.
Priorität: die Sicherheit von Kind und Mutter
Die Sicherheit der Mutter und des Kindes steht immer im Mittelpunkt. Deswegen sollte alles vermieden werden, was Stürze auslösen könnte oder einfach zu viel Druck auf die Bauchgegend ausübt. Spezialausrüstung, die den Umständen und dem Bauchumfang angepasst ist, ist ein absolutes Muss. Weiterhin sollte besonders auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden, um die Fließeigenschaft des Blutes zu gewährleisten und somit auch die Sauerstoffversorgung von Mutter und Kind. Auch Snacks in Form von schnellverfügbaren Kohlenhydraten sollten immer griffbereit sein, falls es durch die Anstrengung zu einer Unterzuckerung kommen sollte.
Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Dr. Eva Wöhrnschimmel im Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft für Alpin und Höhenmedizin (ÖGAHM): „Schwangere sollten ihre sportlichen Ambitionen unbedingt beibehalten!“ Das kann ich bisher nur bestätigen. Und es wurde sogar nachgewiesen, dass sich die schaukelnden Bewegungen beim Wandern beruhigend auf das Baby auswirken. Was also gut für die Mama ist, ist auch gut für das Baby. Viel Spaß beim Bergsport!